Von unserem Roadtrip in Südafrika haben wir schöne und spannende, aber auch sehr ambivalente Eindrücke mitgenommen, die erstmal sortiert und verarbeitet werden mussten.
Und wie gehen eigentlich Kinder mit schwierigen Eindrücken von Reisen um?
Südafrika: Ein schönes Land, tolle Landschaft, wilde Tiere, viel zu entdecken…. Ein cooler Roadtrip mit dem Wohnmobil, unser erster Urlaub zu sechst: viele Erlebnisse und Erinnerungen. Aber wie HIER geschrieben, waren da auch noch andere Themen, die uns bewegt haben. Und die noch nachwirken, abseits von Friede-Freude-Eierkuchen Urlaubserinnerungen:
Die instabile politische Situation: Der vorherige Präsident steht vor Gericht wegen massiver Korruption und Vetternwirtschaft. Die Enteignung von weißen Farmern ist seit Jahrzehnten ein Thema und kocht immer wieder hoch, auch gerade aktuell wieder.
Die massive Ungleichverteilung des Vermögens in der Gesellschaft: Die Armut in den Townships. Die in vielen Bereichen immer noch sichtbare, wenn auch implizite Trennung der Rassen im Alltag, die mangelnde Chancengleichheit.
Die Sicherheit im Land: Auch wenn wir uns selbst nie unsicher gefühlt haben, sind die überall sichtbaren Sicherheitsvorkehrungen für uns schon sehr befremdlich. Hochgesicherte Campingplätze. Die Häuser, auch eher kleine, sind meist hermetisch gesichert. Stacheldraht, Alarmanlagen, Sicherheitsdienste… Beklemmend.
In den vergangenen Wochen seit unserer Rückkehr haben wir auch mit Freunden und Bekannten gesprochen, die schon mal dort waren. Für viele ist Südafrika erstmal ein tolles Urlaubsland ohne weiter hinter die Kulissen zu schauen. Aber einige beschrieben auch diesen „Nachgeschmack“, den das Land hinterlässt und auch bei uns hinterlassen hat. Ein Gefühl für eine Schieflage im Land, für ein Ungleichgewicht in der Gesellschaft.
Und wie ist es für die Kinder?
Wir haben auf der Reise mit den beiden Großen sehr offen gesprochen und erklärt, da die beiden mit 9 Jahren auch schon vieles selbst wahrnehmen. Die Armut. Die Townships am Straßenrand. Die Sicherheitsvorkehrungen. Auch haben wir über die Geschichte Südafrikas gesprochen, die Kolonialisierung, die Apartheid, Nelson Mandela.
Ich möchte nicht Dinge, die die Kids ja auch sehen und hinterfragen, einfach übergehen und eine heile Welt vorgaukeln. Denn ich finde es wichtig, dass Reisen auch für Kinder aus mehr besteht, als Elefanten anschauen oder im Ozean plantschen.
Ich möchte meinen Kindern die Länder und Kulturen, die wir besuchen, näher bringen. Und ihren Blick weiten, wie andere Menschen anderswo leben und dass die Art, wie wir leben, nicht selbstverständlich ist. Das ist natürlich eine Frage des Alters und eine Frage, wie viel man altersgerecht erklären kann. Aber erklären sollte man, gerade bei fremden und eventuell auch sehr verstörenden Eindrücken, ob Townships in Südafrika oder beinamputierte Minenopfer in Kambodscha.
Vor einigen Tagen sagte unser Ältester zu mir, dass er sich ja schon sooo auf die Sommerferien freut. Na klar, es geht auf einen Roadtrip durch Südwest-Europa! ;) Und dann sagte er aus heiterem Himmel, dass er den anstehenden Urlaub besser findet als die Südafrika Reise. Ups? Ob es ihm denn nicht gefallen hat in Südafrika? Doch, sagte er, war cool und schon toll, aber die vielen armen Leute und so…. Und auch in anderen Gesprächen hat man gemerkt, Südafrika wirkt nach bei den Jungs. Highlight war sicherlich die Safari im Addo Elephant Park, das hat sie am meisten beeindruckt. Aber auch die Armut, die vielen Zäune, Kriminalität etc. sind bei ihnen sofort präsent, wenn man über den Urlaub spricht.
Ein Fazit?
Es bleibt ein ambivalentes Gefühl als Fazit unserer Reise.
Südafrika ist ein einfaches Reiseland, eine gute Infrastruktur, hoher Standard – vergleichbar mit Europa, englischsprachig, freundliche und zugängliche Menschen etc. Und doch ist Südafrika auch irgendwie KEIN einfaches Reiseland, gesellschaftlich, politisch, emotional.
Buchtipp:
Vor unserer Reise hatte ich nicht so viel Zeit, mich tiefer einzulesen und auch ehrlicherweise nicht damit gerechnet, dass das Land mich so beschäftigen würde. Daher habe ich jetzt noch etwas nachgearbeitet, was die Geschichte angeht. Und bin noch dabei. Meine absolute Buchempfehlung, für alle,
die nach Südafrika reisen (oder da waren oder einfach so):
Trevor Noah, Farbenblind. ISBN 978-3896675903: Trevor Noah ist mittlerweile sehr erfolgreicher Comedian in den USA, entsprechend leicht und unterhaltsam, zum Teil sogar lustig ist sein Schreibstil, in dem er – gar kein leichtes Thema – seine Kindheit als Farbiger in Johannesburg während und nach der Apartheit schildert. Sehr eingängig, das Buch bringt einem die Verhältnisse sehr nah. Unbedingt lesen!
Mein Mann liest gerade noch die Autobiographie von Nelson Mandela, Der lange Weg zur Freiheit, ISBN 978-3596138043. Die werde ich dann als nächstes Lesen. Keine so eine leichte, unterhaltsame Kost, aber dafür historisch umso interessanter. Das Buch wird mich sicher in den kommenden Sommerurlaub begleiten.
Mit im Bild: Mein Sonnenglas, das mich bei dem aktuellen Sommerwetter in Hamburg begleitet nun ein Sonnenglas abends auf der Terrasse begleitet. Die Gläser kommen aus Südafrika, man kann sie aber zum Glück auch in Deutschland kaufen, denn ich bin erst kurz nach unserem Urlaub über das Projekt gestolpert. Die Einmachgläser haben ein Solarmodul im Deckel und dienen dann abends als Lampe, die man dann mit allem möglichem im Glas dekorieren kann. Alles fair hergestellt in Südafrika, ein Projekt aus Johannesburg, das Leuten aus den Townships Arbeit gibt. Super Projekt, wie ich finde und schöne Erinnerung. *
Habt Ihr noch weitere Buchempfehlungen zu Südafrika? Wie waren Eure Eindrücke, wenn Ihr schon mal dort wart?
Lust auf Südafrika? Hier gibt es mehr auf flipflopblog:
Kommentar schreiben
Zypresse (Montag, 04 Juni 2018 15:33)
Ja, ambivalent ist Südafrika in vielerlei Hinsicht. Wobei es nicht nur die Schere zwischen arm und reich ist. Es ist auch
* der Konflikt zwischen Südafrikanern und afrikanischen (Wirtschafts-)Flüchtlingen,
* es ist der z. T. immer noch offene Rassismus mancher Weißer, es ist der Kolonialismus mancher Touristen (ja, wir haben es ernstlich schon erlebt, dass ein Kellner "Hey, Bimbo" gerufen wurde),
* es ist das offenkundige Desinteresse vieler Touristen an der Geschichte des Landes (kein Besuch in Robben Island, denn "der Fremdenführer dort sprach so ein Scheiß Englisch" - mag sein, dafür erfährt man von einem ehemaligen Häftling Geschichte aus erster Hand oder kein Besuch im Apartheid Museum in Jo'burg, denn im Urlaub will ich so ein Elend nicht sehen - ja, aber gerade dort erfährt man so vieles, was das Verstehen des Landes und seiner Probleme viel einfacher macht)